Ein intermediales Kunstprojekt zur Heilung von was auch immer
im Zentrum von Altdorf Uri Schweiz;
von Oktober 2020 bis Januar 2021; verantwortlich: Ursula Maria Dichtl
Die Überschrift dieses Projekts ist eine Anspielung auf eine Aktion des deutschen Künstlers Joseph Beuys. Er versuchte während einer Performance 1965 einem toten Hasen die Bilder einer Galerie erklären. Unter Beobachtung von Publikum durch die Fensterscheiben. Sowohl sein Ansatz - die künstlerische Aufgabe als eine politische zu sehen - als auch sein Anspruch, jedem Menschen die Befähigung als Künstler/in des eigenen Lebens zuzumuten, passen zu meiner eigenen künstlerischen Haltung.
Seit April 2020 wohne ich gegenüber einem alten zerfallenden Haus in der Gräbligasse im romantischen Städtchen Altdorf in der Zentralschweiz. Es ist das einzige Haus in dieser Gasse. Häuser
inspirieren mich. Vor allem wenn sie leer stehen oder von aussen betrachtet keinen Sinn machen. Und so hatte ich versucht, mich auch mit dem alten Haus gegenüber meiner Wohnung
anzufreunden.
Und dann kam Corona.
Und je länger und öfter ich nun dazu gezwungen war, auch tagsüber aus meinem Wohnzimmerfenster das einfallende Dach des alten Hauses zu betrachten, umso negativer wurden meine Assoziationen und
Gefühle dazu. Irgendwann fand ich es nur noch abstossend. Dieser morbide, gestrige, innerlich verwesende Charakter war mir unangenehm. Die Gewissheit, dass es dem Untergang geweiht ist, hat kein
Mitleid bei mir hervorgerufen. Im Gegenteil. Ich wollte mich abgrenzen und es einfach nicht mehr ansehen müssen. Nichts mehr damit zu tun haben. Und mich schon gar nicht als alternder, nicht
systemrelevanter Abfall der Gesellschaft damit identifizieren müssen. Ich schloss einen Teil meiner Fensterläden, um weniger von ihm zu sehn. Das half ein wenig.
Bis zu dem Morgen, wo ich aufwachte aus einem Traum. In diesem Traum war das alte Haus plötzlich bevölkert von Plüschtieren. Sie waren sehr lebendig und wuselten bunt und schrill im Haus herum.
Ich versuchte ein paar davon einzufangen. Und genoss es dabei, ihre lustigen Gesichter ohne Maske zu sehen. Und - wenn ich eines erwischt hatte - mit ihm zu knuddeln. Es war ein witziger
Traum. Eine Inspiration. Er erinnerte mich an die schamanistische Geschichte von Alice, die dem weissen Hasen ins Wunderland folgt.
Dann wusste ich plötzlich, wozu dieses alte Haus gut sein könnte. Es kann für einen existentiellen traumhaften Übergangsort stehen, der sowohl symbolisch als auch tatsächlich die Möglichkeit bietet, sich über einige - gerade virale - Themen Gedanken zu machen. Sich mit seiner Hilfe emotional und künstlerisch auszudrücken. Und trotz aller Sprachlosigkeit den Diskurs zu suchen mit all denen, die mit diesem Anliegen in Resonanz gehen. Und gerade jetzt auch nach Freiraum und brach liegendem Potenzial für kreatives Miteinander zu suchen. Gerade jetzt werde ich mir als Künstler*in wieder dessen bewusst, was Auftrag in dieser verrückten Geschichte sein könnte: Menschen dabei zu helfen, Mensch und gesund zu bleiben oder zu werden.
Unsere Welt ist so reich an Müll, Material und sinnfreien Räumen, dass es für die nächsten hundert Jahre zum Leben und Spielen reicht. Denn schliesslich ist es nie zu spät für eine glückliche
Kindheit. Das alte geduldige Haus wird so zur wohlwollenden und aufgeschlosse-nen Ersatzmutter. Die keine Angst hat. Nicht einmal vor dem eigenen sicheren Tod. Und mutig den Raum hält für
all das, was wir schon immer einmal machen wollten. Schreien, wüten, singen, tanzen, Farbe verschütten, Steine bemalen und Scherben zählen.
Seit Anfang Oktober bin ich nun damit beschäftigt, das Haus zu beleben, mich darin auszutoben und künstlerisch einzurichten und ein offenes und niederschwelliges Konzept für die vorübergehende
soziokulturelle Nutzung zu entwickeln. Kreativ genug sollte es sein, um nicht gleich wieder neuen Corona-Verordnungen und anderen Gefahren für die künstlerische Freiheit und die öffentliche
Ordnung zum Opfer zu fallen. Der Hausbesitzer ist eingeweiht und einverstanden. Es handelt sich um ein work in progress. Das Ende wird spätestens durch die Entscheidung des Besitzers
gesetzt werden, es abzureissen. Es kann jeden Tag so weit sein. Oder noch eine Weile dauern...
Jede/r an Kunst und öffentlichem Diskurs Interessierte ist herzlich eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen. Wir haben Strom.
Und Feuer. Vielleicht schaffst Du es ja, dem alten Haus und seinen Bewohner/innen einen Besuch abzustatten.
Hier auf der Seite kündige ich immer die aktuellen Aktionen und Neuigkeiten an.
Ab 1.11.20 bin ich selbst auf jeden Fall immer Sonntags von 11 bis 13 Uhr in der Gräbligasse Altdorf/Uri im oder vor dem Haus anzutreffen. Bei schönem Wetter auch
länger.
Interessierte oder Esgenauerwissenwoller können sich auch gerne vor einem Besuch bei mir melden unter 0762 15 32 10 oder ursula.dichtl@gmx.ch und einen Termin abmachen. Wir freuen uns auf jeden
Fall über Interesse.
Nach dem ersten Impuls und der Rekrutierungszeit bevölkerten unterschiedlich grosse und farbige Pflüschtierli die Fenster im Obergeschoss des Hauses. Zum Teil lugten sie durch die zerbrochenen Scheiben nach aussen und trugen zur Belustigung und Freude Vorbeikommender bei. Auch bei schlechtem Wetter hielten sie tapfer durch.
Der erste Sonntag stand ganz im Zeichen der neuen (Welt-)Ordnung. Ein erstes Zimmer des Hauses in der Gräbligasse wird von Kunstfigur Missie Link vom gröbsten Dreck befreit. Sie ist die Frau fürs Grobe mit Hands-on-Mentalität und ohne hygienische Skrupel. Eine Art Atelieraum entsteht, der von aussen einsehbar ist. Einige Besucher sehen dem hybriden Maskenwesen ebenso interessiert wie irritiert durch das Fenster zur Winkelgasse zu. Während und nach der Performance kommt es zu interessanten Gesprächen und weitreichenden Inspirationen. Noch ist das vorherrschende Gefühl bei mir selbst Ekel. Allerdings: Der künstlerische Samen ist in die Gräbligasse gesteckt.
Das alte Haus beherbergt jede Menge mehr oder weniger wertvoller Steine. Wie die da hin kommen? Sie wurden von aktiven und mehr oder weniger jungen Menschen als Wurfgeschosse benutzt, um die
Fenster einzuschmeissen. Is ja n altes Haus. Hält still und wehrt sich nicht. Quasi als Kolatteralschaden dieser Art von Freizeitgestaltung gibt es im Haus massenweise
Glasscherben.
Beides. Steine und Scherben hatte ich mir vorgenommen zu sammeln. Sorgfältig zu beschriften und dabei zu zählen. Und beides als Material für meine künstlerische Forschung zu verwenden.
Im Laufe der Aktion an diesem Sonntag bekam ich interessierte und motivierte Hilfe von BesucherInnen. Meine "Verkleidung" als coronaresistente Laborantin war der Motivation meiner AssistentInnen
allerdings nicht wirklich dienlich. Manche fürchteten sich sogar regelrecht vor mir. Aber letztendlich gewöhnten sich alle daran. Und manche fanden es einfach gut in Zeiten von Corona "etwas
tun zu können" und "sichtbare Beweise zu haben". Schon das Zählen an sich scheint eine beruhigende Funktion zu haben...
Die Musik von Ton Steine Scherben ging dabei etwas unter. Genauso wie die Texte, die als mögliche fake news am Haus zum Trocknen aufgehängt wurden. Sie sind ja nun wirklich alles andere als neu.
Aber trotz aller fehlenden Systemrelevanz immer noch sehr passend. Rio Reiser kommt eben langsam aber gewaltig.... Einfach mal bei Youtube eingeben.... Und lauschen.
Ausserdem ging es an diesem Sonntag darum, die Kuscheltiere, die wegen des guten Wetters etwas ausser Rand und Band geraten waren, wieder zu bändigen.... Sie belagerten zunächst in einer unangemeldeten Versammlung einen Teil der Winkelstrasse. Dem galt es natürlich entschieden entgegenzuwirken. Obwohl sie tot sind war das nicht einfach. Einzelne PassantInnen beschwerten sich bei mir wegen der nicht artgerechten Haltung und Behandlung. Ein paar der Bären verloren beim Versuch der Bändigung tatsächlich Pfoten und Beinchen. Aber keine Panik: Das Haus verliert nix.
Unsere zwei Katzenassistenten entpuppten sich als äussert interessanter Gegenpol zu den toten Tieren. Insbesondere auf Fotos. Abgesehen davon begleiteten sie die Demonstration jeweils gewalt- aber auch sinnfrei.
Im Gegensatz zu Kittie. Die Roboterkatze. Durch ihre Fähigkeit zu Schreien führt sie - nicht nur bei mir - zur unbewussten Aktivierung bemutternder oder auch genervter Impulse. Ihr Gemaunze dringt herzzerreis-send durch das alte Gemäuer. Wenn man nicht auf sie aufpasst, treibt sie sich - wenn auch linear - auf der Strasse herum. Und läuft dabei Gefahr überfahren
oder geklaut zu werden.
Das Gute an Kittie: Man kann sie relativ gezielt einsetzen was die Richtung Ihrer Bewegung anbelangt. Man
kann sie ausschalten. Und hin und wieder gibt sie sogar von selbst den Geist auf, weil ihr der Saft ausgeht.
Wiedergutmachung
Der 3. Tag des Projekts stand ganz im Zeichen von Wiedergutmachung und Aufwertung. Das Wetter war wieder ganz auf unserer Seite. Bei strahlendem Sonnenschein wurde vor dem Gräblihaus vergoldet,
gebastelt, geklebt, bemalt und dazu Musik von Deichkind und Grossstadtgeflüster gehört und gesungen.
Sowohl die Scherben als auch die Steine erwiesen sich nach anfänglicher Sprödheit als durchaus inspirierende Materialien. Viele Besucher*innen nutzten die Gelegenheit durch die neu eröffneten Fenster ins Innere des Hauses zu schaun. Einige waren bereits zum zweiten Mal da und haben Freunde oder Familie mitgebracht.
Besonders gefreut haben wir uns über den Besuch einer rüstigen Dame, die um 1940 im Gräblihaus geboren wurde. Und ihre Kindheit zum Teil im Winkel und in den angrenzenden Hügeln und Wäldern verbracht hat. Sie freute sich sehr über die Einblicke ins Haus und dass es noch einmal auf diese Art belebt wird.
Langsam wird es also gemütlich am und im alten Haus in der Gräbligasse. Ein grosser Raum im Erdgeschoss ist inzwischen als potenzielle Bühne erschlossen und bietet Einblicke durch die geöffneten Fenster nach drei Seiten. Feuertopf und Ölfass stehen bereit für die nächsten Aktionen. Falls es doch mal kalt wird und für kulinarische Aktionen. Ein netter Nachbar liefert falls nötig den Strom. Dadurch ist bereits einiges an Licht ins Dunkel gekommen. Und Musik. Das zuerst unwirtlich bis abstossend erscheinende Haus zeigt sich mit etwas Geduld und Liebe als überraschend reich an Platz und Material.
Die das Haus besetzenden Plüschtiere entwickeln immer wieder ein Eigenleben. Und nehmen Kontakt zu Passant*innen und Nachbarn, Kindern und Älteren, Eltern und Kunstinteressierten, Hääähhhhh?-Fragern und Kopfschüttlern auf. Es entstehen kleine Gespräche wie Inseln ums Haus herum. Immer mehr Menschen schliessen sich der Karawane an, die mit uns durch das kreative Nadelöhr zu gehen bereit ist, das durch Corona geschaffen wurde. Am besten klappt das, wenn wir zwischendrin immer wieder mal aufräumen. Und sortieren. Wunden versorgen und alles entsorgen, was keinen Sinn mehr macht. Nur das kann mit, um das wir uns zu kümmern bereit sind. Und zu lieben.
Was war das wieder für ein spannender, langer und lebendiger Sonntag in der Gräbligasse! Erfüllt mit so viel Erfahrung und Erkenntnis.
Ein Riesen Dankeschön an alle, die absichtlich oder aus Versehen da waren oder sogar mitgemacht haben. Dank vor allem auch an Jeanette Schneider, die bei dieser Gelegenheit ein paar ihrer wertvollsten Schätze und Ideen in unser Projekt eingebracht hat. Wir danken auch allen anderen, die unser Projekt wohlwollend in Gedanken und Taten aus der Entfernung unterstützen ganz herzlich. Ihr helft damit Kunst und Kultur zu überleben!
Das theoretische Potenzial eines gemeinsamen Projektes stellte sich für mich als Kuratorin wieder einmal als schwieriger heraus als gedacht. Insbesondere kam die wichtige und unvermeidliche Diskussion auf das Thema Wert zu sprechen:
Wie viel Wert hat eigentlich so ein Kranz? Wem gehört welcher Teil davon? Ist der Rest Silberfaden daran mehr oder weniger wert als ein schmuddeliger gelber Plastikdeckel, den man daraufklebt? Darf man das was man gemacht hat mit nach Hause nehmen? Oder das was man mitgebracht hat, dalassen? Zählt auch die ästhetische Wirkung? Oder ist Kranz gleich Kranz? Kommt es auf die Schönheit an oder auch auf den Kontext? Ist der Sonntag nicht ein blöder Termin für das alles? Und und und...
Immer mehr Fragen werden durch, um und am Projekt gestellt. Langsam geht es dabei auch ans Eingemachte. Und wir müssen noch mehr auf unsere Energien achten. Nichts verschwenden, liebevoll und verantwortungsbewusst mit dem grossen inneren und äusseren Reichtum umgehen. Sichere Werte haben und sie auch vertreten. Und unerschütterlich an unsere Mission glauben. Es geht schliesslich um nichts Geringeres als eine neue Weltordnung. Das kann schon mal für die ein oder andere Irritation sorgen...
Unabhängig von dieser politisch-sozialen Dimension hatten sich wieder einige alte und einige neue Besucher*innen und Mitmacher*innen eingefunden. Sie haben begeistert und fleissig mitgegrooved. Sogar Hildegard Knef hat eins ihrer Lieder gesungen, nachdem ich als zuständige D-Jane eine alte Schlagersammlung im Internet ausgegraben hatte. Und alle haben das kostenlose Geschenk genossen, dass uns auch dieses Mal Petrus als unser treuer und wohlwollender Wetterschirmherr gemacht hat. Bei strahlendem Sonnenschein wenn auch frischen Temperaturen wurden ein paar wunderschöne, filigrane, witzige, romantische, durchgeknallte und freche Kränze geschaffen. Die an der ein oder anderen Stelle bestimmt längere Zeit Freude und Hoffnung ins Herz zaubern.
Für die kulinarische Pointe sorgte an diesem Sonntag überraschend eine liebe Nachbarin. Wir sind noch dabei herauszufinden, was in ihren Cupcakes Verbotenes drin war. Leider konnten wir keine Fotos davon machen, weil sie so schnell weg waren... ;-). Yummieeeee!
So sah unsere sonntägliche Freiluftwertkstatt aus, nachdem alle kostbaren Recyclingschätze schön übersichtlich aufgebaut waren. In jedem Körbchen jede Menge Entdeckungen, die sich sofort mit neuen Ideen verknüpfen. Sie viele Ideen und Materialien. Und kostbare Kleinigkeiten. So schön auch sich gegenseitig dabei zuzusehn, wenn der/die andere wieder etwas tolles entdeckt hat. Glück kann so einfach und kostenlos sein!
Speziell gefreut haben wir uns heute über den Besuch zweier blutjunger und smarter Altdorfer Jungunternehmer. Sie haben sofort das kreative Potenzial am Gräblihaus erkannt und sich im Vorbeikommen unserer künstlerischen Bewegung kurz angeschlossen. Haben sich zunächst tatkräftig dem Tiefbau - in Form von gefährlichen Steinen zur Seite kehren - gewidmet. Um danach in minimalistisch lässigem Habitus zwei Kränze samt Unterschrift an der alten Wand zu hinterlassen. Wir freuen uns auf weitere gute Ideen der zwei. Sie wollten unbedingt ihre Fotos auf unserer homepage sehen. Falls die Eltern was dagegen haben - bitte melden!
Aus ganz viel Recycling- und Bastelmaterial, Begeisterung und Liebe sind wunderschöne Gebinde entstanden. Zwei davon, die von Mädchen aus der Nachbarschaft gezaubert wurden, bleiben, soweit das Wetter es erlaubt, an der Fassade des Hauses hängen. Sie sind unverkäuflich. Wenn wir sie aus Not verkaufen müssten, würde der kleinere aus Goldpapier 10 Franken 20 Rappen kosten. Der grosse eine Million. Ausstralische Dollar. Mindestens. Anschauen kostet aber nix. Einfach in die Gräbligasse kommen und staunen...
Einige Stunden später: Tja... was soll ich sagen. Kann sein dass ich mich noch ein wenig dagegen gesträubt habe, wirklich in den Blues einzutauchen. Mir wurde dann von verschiedenen Seiten auch nicht wirklich auf die Sprünge geholfen...
Netter väterlicher Besuch war zwar da. Die Jamsession wurde allerdings wieder auf Zufall vertagt.
Aber keine Angst... die Musikvideo-Produktion läuft in einem unserer Paralleluniversen! Ein Augen- und Ohrenschmaus jagt dort den anderen. Wir suchen bloss noch nach dem Übersetzungsalgorithmus in den Alltag.
Von kleineren depressiven Durchhängern lassen wir uns jedenfalls nicht so leicht aus der Bahn werfen.
Immerhin hat Dr. Peter Himmel wieder exakt das passende Wetter geliefert: unaussprechlich novemberig. Wir danken!
Wir feiern das Wunder der Grosszügigkeit und schenken uns gegenseitig Zeit und Dasein.
Dazu gibt es wie immer warmen Kinderpunsch und Musik (von Alexa).
Hohoho. Auch wenn wir wussten, dass es zu Nikolaus (Samichlaus - wie er hier in der Schweiz heisst) etwas sentimental werden könnte: Wir haben uns wieder aufgerappelt. Dazu mussten wir morgens nur aus dem Fenster auf die grosse App sehen. Um festzustellen, dass der Heilige Nikolaus in Zusammenarbeit mit dem Wetterbeamten Peter Himmel Neuschnee von Frau Holle bestellt hat. Und die lieferte fleissig. Der Schnee hielt und wurde eisig wässrig. Ideales Baumaterial also. Und schwupps...
Jetzt gibt es ihn doch. Den Nikolaus. Wie er leibt und lebt. Und ohne des Kaisers Kleider. Die Stiefel haben wir ihm gelassen. Ein kurzer Anflug von Mitleid...
Als Geschenke für die lieben Kinderlein hat er natürlich standesgemäss jede Menge supersüsse Plüschtierli im Sack. Wer ihn in ganzer
Pracht bewundern will - sollte sich beeilen. Er verträgt nämlich Sonne genauso wenig wie die Wahrheit. Deshalb wird sich unser Nikolaus samt seinem Rentier Rudolph demnächst wieder verdünnisieren
und im Gulli verschwinden.
Santa Lucia; wer war das eigentlich nochmal?
WIR wissen es jetzt jedenfalls. Und sind erneut beeindruckt von der Kraft von Ritualen und Gemeinschaft.
Foto: Sandro Jakob
An der dunkelsten Stelle des Jahres hat sich mit unserer kleinen Feier zu Santa Lucia wieder ein Fensterchen aufgemacht. Ein Licht am Ende des Tunnels wurde sichtbar. Eine Hand voll Besucher haben dem Versuch beigewohnt, dieser traurigen Zeit ein paar rettende Bilder und Lieder vor einer bröckelnden Kulisse abzuringen. Ein silbernes Flügelhorn. Klar, rein und schnörkellos gespielt. Ein spontaner Gesang. Ein Anstossen auf eine mögliche Gemeinschaft. Ein wenig Hoffnung. Nicht mehr und nicht weniger...
Ich selbst - als Verantwortliche für all das hier - versuche nun mich weiterhin dem vorweihnachtlichen Leistungsdruck zu entziehen. Und doch tapfer und entspannt an der Gräblihaus-Krippe aus Brot und Abfall zu bauen. Als Ausdruck für das, was noch lange bleiben wird: Die Gefährdung des menschlichen Lebens und unsere freiwillige Pflicht für das zu Sorgen, was unserer Sorge gerade am meisten bedarf. Während in Folge der Coronamassnahmen täglich mehr Kinder und ihre Mütter weltweit verhungern haben auch unsere inneren Kinder ihre Heimat verloren. Auch sie laufen Gefahr durch Herodes aufgespürt und zerstört zu werden.
Christus ist das Symbol für all diese gefährdeten Kinder. Und für unser Bedürfnisse als Mensch in all seiner Verletzlichkeit immer wieder erneut willkommen zu sein. Mit dem Zugang zu unserem inneren Kind haben wir nicht weniger zu verlieren als die Essenz unserer menschlichen Seele. Und dieser Verlust geht weit über das Sichtbare und Lebbare hinaus. Wir sollten nicht zulassen, dass unsere Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Kunst, Spiel und Lebendigkeit auf dem Altar des Kontrollierbaren und Machbaren geopfert werden.
Ach ja: Unser spezieller Dank gilt wieder einmal unserem Beleuchtungs- und Special Effekt-Spezialisten Petrus! Obwohl wir damit gerechnet hatten, in klammen Regenklamotten ein kurzes Pflichtprogramm vor dem Gräblihaus abzuspulen passierte erneut ein kleines Wunder. Just ab halb 11 begannen die Regenwolken sich zu verziehen. Die Sonne brach durch und störte ganz kurz sogar unsere Videoprojektion zu Santa Lucia im Inneren des Hauses. Kerzen machen schliesslich nur Sinn, wenn man sie im Dunkeln anzündet. Videos genauso. Trotzdem gehen wir davon aus, dass der Wetterchef Petrus da oben schon weiss, was er tut. Und sagen wieder einmal: Danke für die wärmende Unterstützung!
Auch wenn aus dem geplanten Ochsen eine Muttersau aus Brot geworden ist. Und die einbrechende Decke bedrohlich tropft und sich senkt: Unser Christkind hat fürs Erste einen trockenen beleuchteten Raum und viele tierische Freunde, die es hüten und die schwere Zeit mit ihm teilen. Die Frage, wie Gott es geschafft hat, seinen Sohn als Mensch zu opfern, verstehen wir nach der schweren künstlerischen Geburt noch weniger. Die Künstlerin ist jedenfalls erst mal Schach Matt. Und wünscht allen Interessierten und Fans frohe Weihnachten, Gesundheit und viel Zeit und Muse zum Anlaufnehmen für 2021!
Die Heiligen drei Könige haben es leider nicht über den Gotthard geschafft... Zu viele Urlaubsheimkehrer. Wertvolle Geschenke lassen also noch auf sich warten. Einige positive nachbarliche Rückmeldungen haben allerdings bestätigt, dass es gut war, die Krippe einzurichten.
Herzlichen Dank dafür!
Dem Kind geht es - dank der herzigen Babysitter und dem guten Immunsystem aus Plastik - sehr gut.
Auch die erschöpfte Hebamme hat sich von der schweren Kunst-Geburt erholt.
Und schon werden die Tage wieder länger....
Eine Auswahl weiterer Projekte und Arbeiten finden Sie unter: https://ursulamariadichtl.blogspot.com/?view=mosaic